Diese Tage der Karwoche durchlebe ich jedes Jahr und nach einem so anderen Jahr ganz besonders bewusst und intensiv. Ich lese die biblischen Erzählungen der Evangelisten, die uns die einzelnen Stationen Jesu auf seinem Weg zum Kreuz und die Auferstehung so konkret, dabei in verschiedenen Facetten vor Augen führen:
Palmwedel und euphorische Hosanna-Rufe begrüßen Jesus bei seinem Einzug nach Jerusalem.
Gründonnerstag – wie viele Bilder in der Kunstgeschichte zeigen Jesus beim gemeinsamen Essen des Passa-Lamms zusammen mit seinen zwölf Jüngern! Dem aber folgt unmittelbar Jesu Erfahrung des Alleinseins im Garten Gethsemane, weil seine Jünger schlafen statt mit und für ihn zu wachen, des Verratenwerdens durch Judas, des Verleugnetwerdens durch Petrus dreimal noch in der Nacht, bevor der Hahn kräht. All dies schmerzliche menschliche Grunderfahrungen.
Jesus widerfahren Spott, Schmähungen, Gewalt vor dem Hohen Rat, und das anwesende „Volk“, der Mob, fordert Jesu Kreuzestod, auch wenn Pilatus und auch Herodes keine Schuld an ihm finden. Die weiteren Geschehnisse werden unterschiedlich berichtet: Markus erzählt von der Verspottung Jesu als „König der Juden“ , dem sie eine Dornenkrone aufsetzen, und dann dem Weg nach Golgatha, Matthäus betont den durch die Hohenpriester und Ältesten formulierten Vorwurf der Gotteslästerung. Bei Johannes lautet der Vorwurf der Hohenpriester wie des Volkes, Jesus habe „sich selbst zu Gottes Sohn gemacht“.
Jesus stirbt neben zwei „Übeltätern“.
Die Evangelien erzählen unterschiedlich von Jesu letzten Worten: Markus und Matthäus zufolge schrie Jesus „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, so wie es auch der Beter des 22. Psalms betet. Nach Lukas rief Jesus „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ Der Evangelist Johannes legt Jesus die Worte „Es ist vollbracht!“ in den Mund.
Jesu Leichnam wird am frühen Morgen des Sabbat einem Anhänger Jesu überlassen und nahe der Kreuzigungsstätte in einem Garten begraben, gewickelt in Leinentücher mit wohlriechenden Ölen, so heißt es bei Johannes, Lukas schreibt diesen Dienst Frauen zu, Markus hatte zuvor konkret drei Frauen: Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome benannt, Matthäus führt die ersten beiden namentlich an.
Es sind Matthäus zufolge auch diese beiden Frauen, denen ein Engel sagt: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier: er ist auferstanden wie er gesagt hat.“ Markus schreibt von einem „Jüngling mit weißem Gewand“, der sich an die drei Frauen ähnlich lautend wendet: „… Er ist auferstanden, er ist nicht hier“ und sie werden gesandt, um dies den Jüngern weiterzugeben. Bei Lukas sind es „zwei Männer mit glänzenden Kleidern“, in deren Frage die sie den nicht genauer benannten Frauen stellen, der Schwerpunkt etwas anders gelagert ist: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden …“, wobei sie an Jesu Ankündigung in Galiläa erinnern. Johannes erzählt von einer Frau, Maria von Magdala, die am frühen Morgen das Grab Jesu aufsucht und sieht, dass der Stein nicht mehr da, das Grab nicht verschlossen ist. Nach Johannes begegnet sie dem Jesus als dem Auferstandenen selber – ohne dass sie ihn zunächst erkennt. Erst als Jesus sie mit Namen anspricht, ist sie sich seiner gewiss. Sie solle ihn nicht anrühren, sei „noch nicht aufgefahren zum Vater“ – und wird von Jesus beauftragt, dies den Jüngern zu verkünden.
Diese verschiedenen Erzählvarianten, die sich auf die unterschiedlichen Zeiten, in denen sie mit Bezug aufeinander geschrieben worden sind und auch mit den jeweils anderen Adressaten, sie machen uns Heutigen in ihrem gemeinsamen Kern doch eines deutlich:
Der Tod, er hat nicht das letzte Wort. Schaffen wir es als Kirchen und jeder Einzelne, diese Spannung zwischen Karfreitag und Ostern auszuhalten?
In einer Zeit, in der einige von uns einen geliebten Menschen verloren haben, in der täglich die Zahl derjenigen gemeldet wird, die an und mit Corona gestorben sind, gibt uns die Botschaft, dass der Tod Jesu am Kreuz nicht das Ende der Geschichte Gottes mit den Menschen ist, sondern die Auferstehung Jesu der Beginn einer Verwandlung der Welt, Halt - auch wenn wir jeden Tag neu erleben, dass diese Verwandlung bis heute nicht abgeschlossen ist.
Der Wunsch nach einer Verwandlung von Verzweiflung und Trauer über das mit dieser Pandemie verbundene Leid in eine Hoffnung, mit der es sich jetzt und in Zukunft leben lässt, ist stark. Gerade in dieser Zeit braucht es den Blick über den Karfreitag hinaus auf Ostern.
Und das Fest der Auferstehung macht Hoffnung auf einen Neuanfang.
In diesem Sinne wünsche ich allen Mitgliedern unserer Schulgemeinschaft und Besuchern der Website ein frohes Osterfest!
Ihre und Eure Elke Helma Rothämel.