Besuch der Mahn- und Gedenkstätte Ahlem

25. Mai 2019

Die Gedenkstätte Ahlem, vormals bekannt als die Israelitische Gartenbauschule Ahlem, dokumentiert eindrucksvoll und leicht zugänglich die Geschichte des Ortes, sowie die der Einwohner jüdischen Glaubens des ehemaligen Landkreises und der Stadt Hannover.

Wir, die Arbeitsgemeinschaft „Shoah erinnern und reflektieren“ der evangelischen Integrierten Gesamtschule Wunstorf, haben die Mahn- und Gedenkstätte am Sonntag den 20.05.19, im Rahmen der Vorbereitung auf den Besuch der Gedenkstätte Auschwitz, besucht. Es ist ein besonders Gefühl durch die Räume zu gehen, in welchen sich vor wenigen Jahrzenten das tägliche Leben zahlreicher Jüdinnen und Juden abgespielt hat.

Die israelitische Gartenbauschule Ahlem wurde 1893 von Alexander Moritz Simon gegründet. Hier sollten Jüdinnen und Juden in Landwirtschaft und Gärtnerei ausgebildet werden, um in Palästina einen jüdischen Staat errichten zu können. In der Zeit des NS war die Gartenbauschule ein Judenhaus, in dem Jüdinnen und Juden interniert wurden, bevor sie in weitere Konzentrationslager oder Ghettos deportiert wurden. Außerdem fungierte das Grundstück als Gestapogefängnis.

Innerhalb der Ausstellung werden einem die schönen Seiten der Geschichte der Gartenbauschule, aber auch die, um es milde auszudrücken, weniger schönen Seiten näher gebracht. Zu den positiven Seiten gehört dabei sicherlich, dass das Leben der Schüler zunächst auch während der Herrschaft des NS-Regimes noch ein gewisses Maß an Normalität behalten konnte und dass Jüdinnen und Juden die Ausreise erleichtert wurde, z.B. in Form von Sprachunterricht.

Aber auch die unschönen Momente in der Geschichte der Gartenbauschule Ahlem waren sehr einprägsam. Dazu gehört unter anderem, dass die Schule als Gestapo-Außenstelle und Sammelpunkt für Deportationen verwendet wurde, sowie dass in den letzten Monaten des Krieges viele Gefangene der Gestapo auf grausame Art erhängt wurden.

Von solchen Gräueltaten und Tiefpunkten, aber auch von den schönen Zeiten, in der Geschichte der Gartenbauschule zu hören, kann meiner Meinung nach nichts anderes, als einen Denkanstoß in den Besuchern der Gedenkstätte Ahlem zu geben. Die Nähe zu unserem Heimatort Wunstorf spielt dabei auch eine Rolle: Es geschah vor unserer Haustür.

Im Anschluss haben wir eine Buchvorstellung zum Leben eines ehemaligen Hausmeisters der Gartenbauschule genießen dürfen. Es wurde ein Buch über Fritz Treu (Fritz Treu, „Irgendwie hab ich immer Glück gehabt“, Lebenserinnerungen, Hannover 2019) vorgestellt, welcher ein äußerst bewegtes Leben führte. Unter anderem war er Zeuge der Ereignisse rund um die Novemberrevolution 1918 in Hannover und wurde von den Nationalsozialisten in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Nach dem Krieg wanderte er in die USA aus. Besonders ist, wieviel Glück im Unglück Fritz Treu hatte und mit was für einer Authentizität er seine Geschichte, in selbst eingesprochenen Aufnahmen aus den Achtzigern und nun verschriftlicht, schildert.
Dieser sehr persönliche Zugang zu den vielfältigen Themen, die der Ort aufwirft, ist ungemein spannend und wertvoll, auch für uns in der Shoah-AG. Persönliche Schicksale verdeutlichen, was die Taten des NS-Regimes für den Einzelnen bedeutet haben und bieten so noch einen anderen Aspekt der Erinnerung, welcher bei der Betrachtung bloßer Opferzahl verloren gehen kann.

Der Wert des Besuches in der Mahn- und Gedenkstätte Ahlem steht für mich außer Frage, da auf spannende Weise gezeigt wird, dass die Schrecken des Nationalsozialismus, seiner Anhänger, Mitläufer und Zuschauer überall in Deutschland zu finden waren, auch bei uns ganz in der Nähe. Und weil man auch von vielen Lehrer*innen und Schüler*innen erfährt, die, trotz der NS-Verbrechen um sie herum, versucht haben, die Normalität so lang wie möglich zu wahren. Insgesamt macht der Gedenkort deutlich, dass es auch ein Leben vor dem Nationalsozialismus gab und nach dem Nationalsozialismus gibt.

Autor: Alexander Rhein (FSJler 2018/19)

Die AG wird von der Stiftungt Gedenken und Frieden gefördert.

https://www.haz.de/Hannover/Aus-den-Stadtteilen/West/Ahlem-Fritz-Treu-hat-den-Holocaust-in-Hannover-ueberlebt